Harmoniemesse – Oktober 2009

Frieden – und zwar ein bisschen dalli!
(veröffentlicht am Mi, 07. Oktober 2009 auf badische-zeitung.de)

Die Geigenmatinee und der Freiburger Kammerchor bei den Musiktagen in St. Peter

„Die Kunst ist frei und soll durch keine Handwerksfesseln beschränkt werden“, postulierte Joseph Haydn – und hielt sich selber daran. Unter anderem bei seiner Harmoniemesse in B-Dur, wo er am Schluss die Katze aus dem Sack lässt, erscheint da doch das „dona nobis pacem“ nicht als Bitte gleichsam mit gefalteten Händen, sondern als wirklicher Imperativ („gib“), als Forderung, ja Befehl nach dem Motto „Frieden – und zwar ein bisschen dalli“. Ganz so klang das nun auch im erstmals von Morten Schuldt-Jensen geleiteten (ausverkauften) Finalkonzert der Musiktage St. Peter. Jenes dermaßen exponierte Friedensthema in Haydns letzter Messe wird zum Vermächtnis. Dass dann genau dieses „dona“ spontan als Zugabe wiederholt wurde, machte Sinn.

Schuldt-Jensen und seine engagierten Mitstreiter zeigten in der ihrer üppigen Bläserbesetzung wegen so genannten Harmoniemesse einen späten Haydn, der offenbar als Mensch mit sich im Reinen war und, wie nicht anders zu erwarten, souverän über die Mittel seiner Kunst gebot. Der zumindest in diesem Werk klar das Tongeschlecht Dur bevorzugt. Der alles bedenkt, sich aber (ein Privileg des Alters?) nirgends sonderlich lange aufhält, selbst beim Passionsgeschehen nicht. Der es sich in einer sinfonischen Messe leisten kann, (fast) keine Arien zu komponieren, dafür um so mehr Ensembles. Und dass man sich im „Agnus Dei“ zunächst bei Isis und Osiris der Mozart’schen „Zauberflöte“ wähnt – auch in Ordnung.

In der schönen, hellen Barockkirche gelang eine mustergültige Aufführung. Eine, die den textreichen Ordinariumsteilen „Gloria“ und „Credo“ durch den Freiburger Kammerchor und dessen im Klang so rundes, homogenes Kammerorchester viel aufgeräumte Frische beimaß, ohne jedoch Feinheiten zu vernachlässigen. Obendrein waren Vokalsolisten mit Ensembletugenden zur Stelle: Dorothea Craxton (Sopran), Angela Froemer (Alt), Rüdiger Ballhorn (Tenor) und Jens Hamann (Bass). Welch gewaltigen Qualitätssprung der verschlankte Kammerchor unter seinem neuen Chef vollführt hat, wurde eingangs anhand von Mendelssohns „Missa breve“ deutlich: Achtstimmigkeit a cappella, „eine Art Palestrina mit Mendelssohn-Akkorden“, wie Schuldt-Jensen in seiner Vorrede die Werkfaktur doch wohl etwas großzügig umschrieb.

Die Kammermusik-Matinee im Fürs-tensaal tags zuvor stand ganz im Zeichen junger Nachwuchsgeiger, die vom einstigen Freiburger Hochschulprofessor Jörg Hofmann betreut werden. Wettbewerbs-preisträger im Alter von neun bis 18 Jahren bewiesen ihr Können. Und das ist nicht selten enorm. Da kredenzten etwa der Geiger Lorenz Chen (15) und am Klavier Sophia Chen (16) Henri Wieniawskis bekannte Konzertpolonaise technisch und musikalisch derart perfekt, dass man sich allen Ernstes fragt, was diese Instrumentalisten eigentlich noch in einem Musikstudium lernen wollen, sofern sie ein solches denn anstreben. Selbst beim Anlegen professioneller Kriterien sehr beachtlich ist auch das Geigenniveau von Tonio (18) und Xenia Geugelin (13).

Weniger kammermusikalisch-staatstragend ging’s in diesen zwei Stündchen zu, vielmehr tänzerisch und unterhaltsam – vom Ungarischen Tanz bei Brahms bis hin zu Flamenco und Ragtime. Zudem lieferten die auch in dieser Disziplin preisdekorierten Geugelin-Geschwister eine Stepptanz-Einlage – natürlich ohne Violine, dafür mit Musik aus der Konserve. Und Paganinis „Perpetuum Mobile“, gespielt von zehn Geigen plus Klavier (zuverlässig: Manana Odischelidse), nahm sich abschließend wie ein schwirrend klingender Hummelflug aus.

Autor: Johannes Adam