Furiose Orgelschauer und göttliche Stimmen

veröffentlich im VIRTUELLER LAUFFENER BOTE

Aktuelle Nachrichten vom 15.10.2019

Der Freiburger Kammerchor begeistert mit einem zeitgenössischen „Te Deum“
Freiburger Kammerchor in Lauffen a.N. (Foto: Bettina Keßler)

Ein außergewöhnliches Konzert mit dem exquisiten Freiburger Kammerchor unter der Leitung von Lukas Grimm erwartete die vielen Besucher am Sonntagabend in der Lauffener Regiswindiskirche, veranstaltet von der Evangelischen Kirchengemeinde Lauffen am Neckar im Rahmen des städtischen Kulturprogramms „bühne frei…“.

Das Laienensemble, 1967 von Professor Klaus Hövelmann gegründet und heute eines der renommiertesten im Freiburger Raum, präsentiert an diesem Abend Werke für Chor und Orgel aus den letzten 100 Jahren: ¡Te Deum? Werke, die, wie Kantor Andreas Willberg, der bereits zum wiederholten Mal den Chor auf der Orgel begleiten darf, in seiner Begrüßung ankündigt, „den Boden unter den Füßen wegziehen.“ Moderne, strahlende Klänge, die aber auch geprägt sind durch die Erfahrung zweier Weltkriege und die Frage: „Ist Gott wirklich da?“

Te Deum laudamus. Dich, Gott, loben wir. Ein Satz, der als Lobgesang seit über 1500 Jahren in unzähligen Variationen erklingt. Was die rund 30 Mitglieder des Ensembles – ein knappes Viertel davon Männer – in ihrem spannungsvoll zusammengestellten Konzert präsentieren, besticht nicht zuletzt durch die reinen, klaren Stimmen, ansprechende Wechselgesänge, oft a cappella, schnörkellos, harmonisch.

 

Freiburger Kammerchor - Männerchor (Foto: Helga El-Kothany)

„Three songs“ des erfolgreichen US-amerikanischen Komponisten Philip Glass, Vertreter der Minimal Music, verbindet Texte von Leonard Cohen, Raymond Levesque und Octavio Paz. Auffallend die leuchtenden Soprane und in dem sakralen Rahmen unüblichen ba-ba-ba- und ma-ma-ma-Zwischenphrasen. Nichts lenkt von den philosophischen Texten in englischer und französischer Sprache ab, Grundfragen des menschlichen Miteinanders.

Ganz anders die „Litanies à la Vierge Noir“ von Francis Poulenc. Mal gregorianisch anmutend, dann dissonante Orgelakkorde, inbrünstig schrille, geradezu martialische Fürbitten.
Mittelpunkt des Abends ist das Prager Te Deum von Petr Eben, 1990 zu Ehren des Besuchs von Papst Johannes Paul II in der tschechischen Hauptstadt uraufgeführt. Von der Empore aus füllt das Freiburger Ensemble mit Orgelbegleitung den Kirchenraum einerseits mit kraftvollem Jubelgesang, aber auch mit einem leisen, getragenen Sanctus. Ein Dank für die damaligen politischen Veränderungen.

Das bereits von Andreas Willberg angekündigte „wilde Orgelstück über drei Minuten“ von William Albright verlangt dem Organisten alles ab. Temporeich – man wundert sich, dass man eine Orgel so schnell spielen kann -, anspruchsvoll, rhythmisch erinnert es stellenweise an Free Jazz. Bei einigen Akkorden glaubt man, es zerreiße die neu gestimmte Orgel! Aber nach drei Minuten ist der „urzeitliche Freudentanz“ vorüber.

Ein wunderschönes Solo von Lukas Grimm leitet vier kleine Gebete von Francis Poulenc ein, dem sich der Männerchor anschließt. Ein absoluter Hörgenuss zum Hineinversinken. Und mit Charles Ives‘ „Psalm 90“ klingt der Abend trotz einiger Dissonanzen mit Orgelspiel und (Röhren-) Glockenklang ganz pianissimo aus. „Gewöhnungsbedürftig“ war für Doris Heinzmann nur das wilde Orgelstück, alles andere hat sie begeistert. Der lange, kräftige Applaus am Ende zeigt deutlich, dass das Publikum diese Begeisterung teilt.

 

Text: Helga El-Kothany

 

Bildunterschriften:

Abb. 1: Der Chor beeindruckte durch seinen runden Gesamtklang, der dennoch jederzeit klar und transparent blieb. (Foto: B. Keßler)

Abb. 2: Durch den Wechsel von Stücken für gemischten Chor, Frauenchor, Männerchor sowie für Orgel, gelang es den Musikern mühelos, die Spannung zu halten. (Foto: H. El-Kotany)

Haller Tagblatt vom 15.10.2019

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