Zarter Flügelschlag, runde Klangfärbung
Schatzgräber: Lukas Grimm hat mit seinem Freiburger Kammerchor attraktive Chorwerke von Komponistinnen aufgeführt.
Frauen haben auch etwas zu sagen. Wenn man sie doch nur ließe! Schon die Biografien der Komponistinnen, deren Werke beim jüngsten Konzert des Freiburger Kammerchor auf dem Programm standen, sind es wert, wahrgenommen zu werden. Amy Beach, 1867 in New Hampshire geboren, war ein Wunderkind: Als Einjährige kann sie bis zu 40 Melodien nachsingen, mit drei bringt sie sich das Lesen bei, mit sieben spielt sie erstmals öffentlich Beethoven, schult sich später selbständig an Bachs Kontrapunktik. Mit 18 Jahren der Karriere-Knick: Sie heiratet einen Bostoner Arzt, der ihr nur Benefiz-Auftritte zugesteht und gedruckte Werke nur unter seinen eigenen Initialen. Nach seinem Tod startet Amy Beach durch, geht auf Europatournee. Ihr „Te Deum“ ist erbauliche, beschwingte Kirchenmusik. Lukas Grimm dirigiert agil und mit Feingefühl. Der Chor folgt mit Elan, aber nicht immer intonationssicher.
Florence Price hatte es doppelt schwer: Sie war Frau und Afroamerikanerin. In Prices feinem, bluesigem Stück „Resignation“ fühlt sich der Chor zu Hause. Es kommt dezentes Gospel-Feeling auf. Julie Pinsonneault begleitet den Konzertabend an der Orgel souverän und transparent.
Selbst der Schweizerin Martha von Castelberg war ein Musikstudium versagt. Sie komponierte für sich und lebte bis 1971 ein zeitgemäßes Frauenleben als Ehefrau und Mutter in enger Verbundenheit mit dem Kloster Disentis. Ihr „De profundis“ lebt von atmosphärisch-dichten Tonrückungen und Akkordschichtungen, die der Chor im satten Tuttiklang meistert bis hin in den erlösenden Schlussakkord.
Auch die weiteren zeitgenössischen Komponistinnen aus den USA, Kanada, und England waren Grimms Schatzsuche wert: Libby Larsens freudigen Lobgesang „I will sing and raise a psalm“ bringt der Kammerchor mit warmen Frauenstimmen, mit runder Klangfärbung. Die trockene Akustik der Ludwigskirche legt aber auch jeden wackeligen Einsatz, jeden unhomogenen Akkord und zu tiefen Ton in diesem Konzert offen. Cecilia McDowalls „Vita Mundo“ ist erfrischend. In Carolin Shaws „and the swallow“ hört man zarten Flügelschlag. Ein Genuss ist das zarte Licht in „Lume“ der schwedischen Andrea Tarrodis. Die Soprane leuchten über dem gesummten Chorklangteppich. Die Sonne glitzert auf dem See.
Ressort: Klassik
- Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 06. Mai 2024