Weihnachtsoratorium in Rust Dezember 2015

veröffentlicht in gedruckter Form

am Mi, 18. Dezember 2019

Von Alexander Dick

Aufführung mit jugendlichem Charme

Weihnachtsoratorium in Rust.

RUST. Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium ist das wichtigste Musikstück in der Vorweihnachtszeit. Das erste von zwei Konzerten bot der Freiburger Kammerchor mit der Camerata Academia Freiburg unter der Leitung von Lukas Grimm in der St. Petri Kirche in Rust. Im Gegensatz zur Aufführung im Freiburger Konzerthaus am Sonntag, die alle sechs Kantaten des Oratoriums umfasst, gab es am Samstag in Rust die Kantaten eins bis drei und sechs zu hören.

Es war eine fulminante, interpretatorisch durchgängige Version, die mit Ausnahme der Choräle durchweg von sehr schnellen Tempi geprägt war. Das „Jauchzet, frohlocket“, der wuchtige Eingangschor, hatte spritzigen Charakter, kurze Vokale und Nachsilben, schlank-galante Verzierungen im Aufgang „Lasset das Zagen“ und klare Akzentuierungen. Der Evangelist, gesungen von dem polnischen Tenor Jan Petryka, verfügt über eine warme, flexible, runde Stimme und man glaubt ihm jedes Wort, so überzeugend ist die Darbietung. Die Arie „Frohe Hirten“ nimmt er im Zusammenspiel mit der Flöte sanft und berührend. In den Alt-Arien, die Britta Schwarz mit vergleichsweise heller Stimmfärbung singt, fehlt gelegentlich die Ausgewogenheit zwischen Orchester und Solistin, die Stimme entfaltet sich besonders strahlend in der Höhe.

Die Choräle nimmt Lukas Grimm mit dem Chor warm und weich im Klang, musikalisch den Text stets ausdeutend. Die Choräle vermitteln auf das Ganze gesehen Erdung und Besinnlichkeit. Bassist Matthias Flohr, der über eine volle, gut geführte Stimme verfügt, nimmt die Bass-Arie „Großer Herr und starker König“ mit spielerischer Leichtigkeit und schlanken Sechzehnteln. Im Duett „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“ mit der Sopranistin Amrei Rebekka Beuerle, die eine fein silbrige Stimme hat, kommt ein wunderbar weicher schwebender Charakter und inniges Miteinander zum Ausdruck.

Die Sinfonia zu Beginn des zweiten Teils hat eine liebliche, doch keineswegs süßliche Anmutung – eher wie zartes, ineinander gesponnenes Gewebe. Beeindruckend ist die Präzision und Lebendigkeit, mit der der Chor „Ehre sei Gott“ darbringt und den Charakterwechsel im Stück zu „und Friede“ vollzieht. „Herrscher des Himmels“ – der Beginn des dritten Teils – hat ein zu schnelles Tempo, klingt beinah gehetzt. In der Wiederholung am Ende der Kantate, im Tempo etwas zurückgenommen, ist es hingegen ein kraftvoller Abschluss des dritten Teils.

Die Alt-Arie „Schließe mein Herze“ ist von großer Innerlichkeit, die Modulationen sind sehr sauber und genau musiziert, die Stimmung wirkt für einen Moment in der Kirche nach. Erhaben und mächtig beginnt die sechste Kantate. Grandios, wie „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“ mit Schwung durchpulst, sinnreich im Spiel ausgedeutet ist. Die Sopran-Arie „Nur ein Wink von seinen Händen“ ist reich differenziert. Besonders sanftmütig gelingt der Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“, während der Schlusschoral mit Biss und Leichtigkeit zugleich erklingt. Es gibt stehende Ovationen für eine differenzierte, lebendige Aufführung mit jugendlichem Charme.