Porträt Lukas Grimm

Badische ZeitungBZ-PORTRÄT:
Lukas Grimm ist der neue Leiter des Freiburger Kammerchors 
 von: Johannes Adam 5.7.2013

„Es sollte niemand untergehen“

Lukas Grimm Foto: Pro

Der schlanke Mann mit dem jungenhaften Lächeln strahlt Offenheit aus. „Ich bin ständig im Dialog“, sagt Lukas Grimm. Seit Februar ist er der neue Leiter des Freiburger Kammerchors, den nach Morten Schuldt-Jensens Demission Wolfgang Schäfer interimistisch betreut hatte. Warum Grimm sich – als einer von 30 Konkurrenten – um das Amt beworben hat? „Ich kannte den Kammerchor. Dass er attraktiv ist, war von vornherein klar. Ich wollte ins Freiburger Musikleben einsteigen“, bekennt der 26-Jährige, der in Riegel am Kaiserstuhl lebt, selbstbewusst.

Grimm, 1986 in Weinheim an der Bergstraße geboren, war 1994 nach Bad Bergzabern in der Südpfalz übergesiedelt, wo sein Vater als Dekanatskantor wirkte. Obgleich er des Pfälzischen erklärtermaßen mächtig ist, hört man die Mundart nicht heraus: „Ich bin sprachlich nicht sehr beheimatet“, kommentiert Grimm diese Tatsache launig. Erster Klavierunterricht mit fünf Jahren. Studiert hat er an der Musikhochschule Stuttgart die Fächer Kirchenmusik und Orgelimprovisation. Prägender Lehrer war primär der Organist Jürgen Essl. Beim A-Examen interpretierte der Kandidat unter anderem Franz Liszts ausladende „Ad nos“-Fantasie. Mehr als jedes Literaturspiel aber reizte ihn immer schon das eigene Improvisieren an Klavier und Orgel, auch über Filme und Literatur. Zudem komponiert er fleißig – und zwar längst nicht nur für Orgel oder Chor. So wurde 2012 ein Streichquartett aus der Taufe gehoben. In Sachen Chorleitung zeigte sich die Stuttgarter Hochschule im Masterstudiengang Kirchenmusik bestens aufgestellt. Grimm reüssierte: Seit 2011 wird er als Chordirigent im Dirigentenforum des Deutschen Musikrats gefördert. Konkret besteht diese Förderung in Weiterbildung – vor allem durch Kurse bei Chor-Koryphäen. An der Hochschule in Karlsruhe („Stuttgart ist ausgeschieden, weil ich da schon zu lange war“) widmet Grimm sich aktuell der Orchesterleitung, was einem Chormenschen ja beileibe nicht schaden kann.

Die Proben mit dem von Klaus Hövelmann gegründeten namhaften Konzertchor begannen im März. Wobei Grimm auf ein nochmaliges Vorsingen der Mitglieder verzichtet und sich auf die von Schuldt-Jensen getroffene Auswahl verlassen hat. Von den Fähigkeiten seines Chors ist der neue Mann jedenfalls sehr angetan: „Der Chor reagiert als Gruppe.“ Bei manchen Stücken, etwa einem Werk für Frauenchor von Brahms, sei beim Proben sofort Stilsicherheit da. Für einen Kammerchor sieht Grimm die Grenze bei 60 Sängern. „Ich achte auf die Balance der Stimmgruppen“, betont er. Und fügt hinzu: „Es sollte niemand untergehen.“

Obwohl das Repertoire Chefsache ist, darf der Chor Wünsche äußern. So den, im Sommer ein bunt gemischtes A-cappella-Programm zu erarbeiten. Daher gibt Grimm sein Kammerchor-Debüt unterm Motto „Shakespeare in Summer“. Mit Vertonungen aus der Zeit des Dichters und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch Romantisches ist vertreten. Ein internationaler Reigen mit den Briten Vaughan Williams und Tavener sowie dem Schweden Nils Lindberg. „Ich decke gern alle Epochen ab“, erklärt Grimm. Mitunter wird Moritz Haardt, dem A-cappella-Fokus zum Trotz, am Klavier begleiten. Obendrein ist Jazziges („Ich bin dem Jazz sehr verbunden“) im Angebot.

Musikalische Möglichkeiten gibt es genug. Zum Beispiel die Romantik. „Sie könnte ein Schwerpunkt werden“, meint Grimm beim Blick in die Zukunft. Angedacht sind vier Projekte pro Jahr. Auch das traditionelle oratorische Profil soll weiter gepflegt werden. So erklingt im Herbst das Fauré-Requiem in der originalen Orchesterfassung von 1893. Zudem ist die Wiener Klassik ante portas. Innovativer Akzent beim Kammerchor: Künftig sollen Uraufführungen von Komponisten aus der Region stattfinden. Für die Sänger ist das gewiss eine exzellente Schule, und die Komponisten dürfen sich freuen.

„Viele Chöre sind auf einem fantastischen Niveau“, hat Grimm erkannt, der Leonard Bernstein als eine jener Musikerpersönlichkeiten nennt, von denen er angetan ist. Die Lieblingskomponisten indes wechselten: Mal war es Wagner, dann Mahler, dann Schumann. Warum ausgerechnet der Kirchenmusiker nicht auch Johann Sebastian Bach anführt? Der zähle ja ohnehin zu den Grundkonstanten, lautet dazu die – plausible – Antwort.

Keine Frage, Lukas Grimm weiß, was er will. Zu hoffen ist, dass es nun beim letztlich seit Hövelmanns Rückzug unverschuldet von Krisen tangierten Freiburger Kammerchor wieder rund läuft. Die Zeichen stehen gut. Und das bevorstehende Sommerprojekt ist ein Schritt in die richtige Richtung.
– Konzerte: Merdingen, Kirche St. Remigius, Samstag, 6. Juli, 20 Uhr; Freiburg, Christuskirche, Sonntag, 7. Juli, 19 Uhr. BZ-Kartenservice 0761/4968888.