Die Kraft der Wiederholung

veröffentlicht in gedruckter Form

am Mi, 18. Dezember 2019

Von Alexander Dick

Bis es schmerzt: Der Freiburger Kammerchor und die Holst Sinfonietta mit Steve Reichs „Desert Music“ im E-Werk.

„Bei meinen Stücken denke ich nie an Atmosphäre oder Gefühle“, sagt Steve Reich, einer der bedeutendsten amerikanischen noch lebenden Komponisten. Doch auch wenn Reich seine Musik rational konstruiert, lässt sie einen nicht kalt.

Das bewiesen eindrücklich Lukas Grimm, sein Freiburger Kammerchor und die Holst Sinfonietta am Sonntag im E-Werk. Der Verstand mag Reichs Kompositionsmuster erkennen. Die Tonrepetitionen, Takt- und Rhythmuswiederholungen haben aber auch das Zeug dazu, in Trance oder gar in Rage zu versetzen.

Letzteres ist in diesem Fall am passendsten, geht es doch in Reichs „Desert Music“ von 1983 um die potentielle menschliche Selbstvernichtung durch Atombomben. Kompliment an den Kammerchor, dieses hochkomplexe Werk aufs Programm zu setzen. Grimm führt souverän und entspannt durch die vertrackten rhythmischen Unwägbarkeiten des Stücks. Der Chor agiert präsent und hochkonzentriert, bewältigt selbst die unangenehmen Höhenlagen. Es entsteht ein großes, packendes Zusammenspiel aller Beteiligten aus Chor und Orchester.

Die Hauptrollen jedoch haben die Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger der Holst Sinfonietta. Mit höchster Ruhe und Konzentration spielen sie unablässig-konsequent die sich ständig wiederholenden Patterns, die nur manchmal leicht versetzt oder minimal variiert sind. Das groovt mal, verwirrt mal und macht nervös. Beeindruckt aber auf jeden Fall.

In „Music for Mallett Instruments“ von 1973 geht es um wiederkehrende Kompositionsstrukturen. Klaus Simon leitet hier seine Sinfonietta und drei Vokalisten vom Keyboard aus – zuverlässig-engagiert. Zehn Jahre später klingt Reichs minimalistischer Kompositionsansatz zusammen mit den Versen aus W.C. Williams Gedichtsammlung „Desert Music“ schon um einiges aggressiver. Es geht um die Atomwaffentests der USA in der Wüste von Nevada. Die Gedichte sind in der Zeit nach dem Bombenabwurf auf Hiroshima entstanden. Reich hat sich eine Kernaussage für seine Komposition ausgesucht: Der Mensch muss seine Wünsche (nach Waffen) ändern, oder vergehen.

Diese Botschaft wird knapp 50 Minuten lang gesungen, gehämmert und geschlagen. Mit Schlägeln und Klöppeln. Unablässig, konsequent und so lange bis es schmerzt. Musikhören geht eben doch nicht ohne Gefühle.