Eingehüllt in Klang
Schwere Gewitter waren angekündigt. Doch die Veranstalter entschieden sich trotzdem dazu, die erste Freiburger Chornacht im Freien stattfinden zu lassen. Ihr Mut wurde belohnt.
Die Kombination von einem lauen Sommerabend, Chorgesang und dem freien Blick zum Himmel in den Innenhöfen von Rathaus, Schwarzem Kloster und Basler Hof erschien zu reizvoll, um auf Nummer sicher zu gehen.
Der Mut zum Risiko zahlte sich aus. Es wurde ein beglückender, stark frequentierter Abend mit rund 2500 Besuchern. Mit dem Fest der Innenhöfe und den Mittsommerkonzerten gab es in Freiburg bereits äußerst beliebte Musikveranstaltungen im Sommer, die eingespart wurden. Die von den 15 Freiburger Chören in Koordination mit dem Kulturamt organisierte Chornacht könnte ein würdiger Nachfolger werden.
Im Innenhof des Freiburger Rathauses hat sich die Soulfamily aufgestellt. Die Frauen tragen bunte High-Heels zum kleinen Schwarzen. Überhaupt ist vieles anders bei dem 24-köpfigen Chor, der von Joel da Silva am Keyboard geleitet wird. Es wird grundsätzlich auswendig, mit kernigem Brustton und viel Bewegung gesungen. Die Energie der Soulfamily geht sofort auf das Publikum über. Und manche Zuhörerin wiegt sich beseelt zu den Klängen des Bob-Marley-Klassikers „No Woman No Cry“. Dass die anschließend auftretende Heinrich-Schütz-Kantorei unter Bernd Scharfenberger warten muss, weil die Soulfamily überzieht, trägt der Chor mit Fassung. Der eng getaktete Zeitplan von zwanzig Minuten Konzert und zehn Minuten Umbau ist im Rathausinnenhof jedenfalls schon früh um eine Viertelstunde verschoben, weil es einfach zu lange dauert, bis das Publikum hinein- und wieder herausgefunden hat. Hier, in diesen stickigen Wartezonen, ist ein wenig Frustration zu erleben. Selbst die Sänger der auftretenden Chöre kommen kaum durch den Pulk. Von Ordnern ist nichts zu sehen.
Im Innenhof des Schwarzen Klosters ist der Zugang ähnlich eng. Aber hat man erst einmal hineingefunden, ändert sich die Stimmung. Der Jugendchor Voice Event von Christian Geugelin kann in seinen jazzigen Arrangements von Pop-Songs auch ganz leise Töne singen. Und wenn dann doch zu viele Nebengeräusche nach vorne dringen, wird mahnend gezischt. Im Publikum sieht man einige Sängerinnen und Sänger in Konzertkleidung. Man hört sich gegenseitig zu. Die Chöre lernen sich kennen – ein weiterer Effekt der Freiburger Chornacht.
Der große Innenhof des Basler Hofes ist der perfekte Ort für diesen Abend. Man sitzt entspannt auf dem Kopfsteinpflaster oder hört im Stehen zu. Der rund 100-köpfige Freiburger Bachchor singt unter Hannes Reich ein anspruchsvolles A-Cappella-Programm. Als bei Alfred Schnittkes „Otche nash“, das wie die anderen der drei geistlichen Gesänge an der russisch-orthodoxen Klanglichkeit orientiert ist, sich ein großes Crescendo Bahn bricht, wird der Innenhof zur mächtigen Kathedrale. Aber auch ganz Leichtes, Sommerliches ist hier auf dieser perfekten Bühne zu hören durch den Unichor Freiburg, der unter der Leitung von Lisa Hummel kurze, weltliche Chorstücke modelliert. Der von Lukas Grimm dirigierte Freiburger Kammerchor lässt im „Traum“ von Michael Essl, an diesem Abend uraufgeführt, Düfte spritzen. Und gefällt mit hellen Sopranen und guter Balance.
Auch bei dem Auftritt des John Sheppard Ensembles unter der Leitung von Bernhard Schmidt sind nur die Münsterglocken als Nebengeräusche zu hören. Der exquisite, gemischt aufgestellte Kammerchor schöpft die gesamt dynamische Bandbreite aus. Und verzückt mit dichter, polyphoner Musik von Francisco Guerrero bis Max Reger.
Um Mitternacht treffen sich alle Chöre auf dem Rathausplatz, um gemeinsam „Der Mond ist aufgegangen“ zu singen. Ein echtes Gemeinschaftserlebnis und besonderer Hörgenuss, für den nur die aufräumenden Mitarbeiter des Eiscafés kein Ohr haben. So mischt sich das Klappern der Metallstühle in die musikalische Idylle. Wenige Minuten nach Mitternacht prasselt der Regen auf Freiburg. Das nennt man wohl perfektes Timing.